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EINLEITUNG
Hintergrund zu TALSIM
In der wasserwirtschaftlichen Planung besitzt die Modelltechnik seit langem einen hohen Stellenwert. Weil sowohl der Nutzen als auch mögliche negative Folgen wasserbaulicher Maßnahmen aufgrund des oftmals komplexen Wirkungsgefüges nicht einfach zu überschauen sind, kommen hydrologische und hydraulische Modelle zum Einsatz. Sie ermitteln sowohl die kurz- als auch langfristigen Auswirkungen der geplanten Eingriffe auf den Wasserhaushalt. Dabei müssen die baulichen Veränderungen und die immer wichtiger werdenden betrieblichen Aspekte im Modell nachgebildet, berechnet und die Ergebnisse anschaulich präsentiert werden. Von besonderer Bedeutung ist die Berücksichtigung ganzer Flussgebiete, unter anderem aufgrund der neuen Wasserrahmenrichtlinie.
Unter diesen Vorgaben ist das Flussgebietsmodell TALSIM entwickelt worden, um die in der Wasserwirtschaft tätigenden Behörden, Verbänden und Ingenieurbüros bei der Planung wasserwirtschaftlicher Maßnahmen und deren Bewirtschaftung effizient und anschaulich zu unterstützen.
Die Verknüpfung von N-A Modellierung, Bewirtschaftungsmodell, Fließgewässerberechnung und Zeitreihenverwaltung erlaubt vielfältige Anwendungsmöglichkeiten, die im Zusammenspiel mit einem Monitoringsystem auch den operativen Einsatz zulässt.
TALSIM basiert auf einer offenen Modellarchitektur, d.h. der Anwender kann beliebige wasserwirtschaftliche Systeme aufbauen und nahezu unbegrenzt verschiedene Bewirtschaftungsstrategien umsetzen.
In den nachfolgenden Kapiteln werden die theoretischen Grundlagen zu TALSIM eingehend erläutert.
Begriffsdefinitionen
Nachfolgend sind zentrale Begriffe erläutert, so wie sie im weiteren Verlauf Verwendung finden.
Wasserwirtschaftliches System, Systembelastung, Systemelement:
Unter der Bezeichnung wasserwirtschaftliches System werden alle wasserbezogenen Transport- und Speicherprozesse innerhalb eines abgegrenzten Gebietes zusammengefasst, wobei es unerheblich ist, ob das System tatsächlich existiert oder einen zukünftigen bzw. denkbaren Planungszustand darstellt. Die wasserbezogenen Prozesse werden in einzelnen Komponenten bzw. Elementen zusammengefasst.
Die Simulation eines solchen Systems verlangt die Umsetzung der tatsächlich ablaufenden Prozesse (Realität) in mathematische Gleichungen zur Berechnung der hydrologischen und hydraulischen Vorgänge. Mit anderen Worten handelt es sich um die Abstraktion und Abbildung der räumlichen und zeitlichen Verteilung von Wasser.
Für die vollständige Erfassung eines wasserwirtschaftlichen Systems ist die Definition der Grenzen notwendig. Diese sind zum einen durch Einzugsgebietsgrenzen rein räumlicher Natur. Zum anderen ergibt sich eine Unterscheidung zwischen Systembelastung und System. Die Systembelastungen – Wasserdargebot und Wasserbedarf - wirken auf das System von außen ein und lösen im System Vorgänge aus, gehören also nicht unmittelbar zum System selbst. Dabei gilt die Annahme, dass zwischen System und Systembelastung keine Rückkopplung stattfindet. Diese Annahme verliert jedoch in zunehmendem Maße an Gültigkeit, je stärker die Eingriffe in den Wasserhaushalt durch das wasserwirtschaftliche System sind.
Ein System ist folglich die Summe von Komponenten bzw. Elementen, die ihrerseits die wasserbezogenen Prozesse mathematisch abbilden. Die Darstellung der Fließbeziehungen der Elemente untereinander ist ebenfalls Bestandteil eines wasserwirtschaftlichen Systems.
In Abhängigkeit der jeweiligen Zielsetzung ergeben sich unterschiedliche räumliche Auflösungen.
Eine Betrachtung aller ablaufenden Vorgänge in wasserwirtschaftlichen Systemen ist weder sinnvoll noch möglich. Es gilt der Grundsatz, alle maßgebenden Prozesse zu erfassen und so genau wie nötig darzustellen. Dadurch wird die Abstraktion und Zusammenfassung verschiedener Transport- und Speicherprozesse erforderlich. Durch diese Integration mehrerer Prozesse entsteht eine Abbildung der Realität mittels einzelner Berechnungseinheiten. Diese Einheiten werden im weiteren Verlauf als Systemelemente bezeichnet. Ein Systemelement liefert unter gleichen Voraussetzungen immer gleiche Ergebnisse. Eine Klassifizierung der Elemente erfolgt später.
Die Größe und Struktur eines Systemelementes ist durch die Geographie, durch wasserwirtschaftliche Prozesse oder durch beide Faktoren gemeinsam bestimmt. Eine Talsperre – Speicherbecken - wird beispielsweise durch den Speicherraum und das Bauwerk selbst eingegrenzt, weil sich alle darin abspielenden Vorgänge gegenseitig beeinflussen. Deshalb gehören Betriebseinrichtungen wie Hochwasserentlastung, Grund-und Betriebsablass zum Systemelement Talsperre. Somit sind Geographie und wasserwirtschaftliche Prozesse für die Gestalt des Systemelementes Talsperre verantwortlich.
Systemdaten, Systemzustände, Parameter, Kenngrößen:
Alle für die Beschreibung der Systemelemente und ihrer Fließbeziehungen notwendigen Werte werden unter dem Begriff Systemdaten (Anordnung der Systemelemente, Parameter und Kenngrößen) zusammengefasst. Die Systembelastungen erzeugen - unter Benutzung der Systemdaten – an den jeweiligen Elementen bestimmte Systemzustände und daraus resultierende Reaktionen. Systemzustände beschreiben die augenblicklichen Verhältnisse innerhalb des Systems und sind zeitlich veränderlich. Zustände und Reaktionen sind eindeutig einzelnen Systemelementen zugeordnet.
Die Begriffe Parameter und Kenngrößen besitzen unterschiedliche Bedeutungen. Kenngrößen sind eindeutig zu bestimmende Merkmale von Systemelementen, z.B. die Geometrie einer Rohrleitung oder die Dammhöhe einer Talsperre. Im Sinne der Simulation gelten sie als unveränderlich, sofern sie nicht Gegenstand einer Untersuchung sind. Parameter sind ebenfalls Merkmale von Systemelementen, deren eindeutige Ermittlung aber nicht ausreichend durch Messung gelingt. Hierunter sind Größen zu verstehen, die nur punktweise messbar sind aber auf größere Flächen bezogen werden (z.B. kf-Wert von Böden) oder stellvertretend für eine Vielzahl von Naturvorgängen stehen, z.B. eine Retentionskonstante zur Beschreibung der Ablaufkonzentration aus einem Einzugsgebiet. Sie unterliegen einer Kalibrierung und Verifikation. Die Kenntnis über Kenngrößen und Parameter ist erforderlich, um das Verhalten der Systemelemente und damit das gesamte Systemverhalten eindeutig zu beschreiben.
Regelbares System, Nutzungen, Speicherbetrieb:
Sind die Transport- und Speichervorgänge durch die Betätigung von Regelorganen wie Schiebern, Schütztafeln, Wehre oder Ventilen beeinflusst, handelt es sich um regelbare Systeme. Solche Eingriffe in das natürliche Fließverhalten geschehen nicht zum Selbstzweck, sondern um Ansprüchen, die an das Wasser gestellt werden, gerecht zu werden. Ansprüche ergeben sich unter anderem in bezug auf
- Wasserversorgung / Brauchwassernutzung
- Hochwasserschutz
- Erhaltung von Mindestwassermengen
- Niedrigwasseraufhöhung
- Bewässerung
- Energiegewinnung
- Freizeitnutzung
Liegt ein solcher Anspruch bzw. Nutzung in einem wasserwirtschaftlichen System vor, besteht im Allgemeinen auch die Möglichkeit, regelnd in den Wasserhaushalt einzugreifen. In vielen Fällen sind Speicher aufgrund ihrer ausgleichenden Wirkung und praktischen Regelungsmöglichkeit geeignete Bauwerke, um Eingriffe in den Wasserhaushalt vorzunehmen. Existiert eine Nutzung, die durch einen Speicher oder mittels Regelorganen am Speicher direkt oder indirekt gesteuert oder zumindest beeinflusst wird, handelt es sich um einen Speicherbetrieb.
Für jede Nutzung existiert ein optimaler Zustand, der i.d.R. in Form einer Zielvorstellung ausgedrückt werden kann. Diese Ziele sind teilweise konkurrierend. Beispielsweise ist es für eine sichere Wasserversorgung aus einem Speicher optimal, möglichst viel Wasser vorzuhalten. Genau das Gegenteil gilt für den Hochwasserschutz, der einen leeren Speicher zur Aufnahme von Hochwasser verlangt. Es ist Aufgabe des Speicherbetriebs, einen maßvollen Ausgleich zwischen konkurrierenden Nutzungen zu finden.
Simulationsmodell, Speicherbetriebsmodell:
Das Merkmal eines Simulationsmodells ist die Abstraktion der Realität sowie die Berechnung der Systemelemente und ihrer gegenseitigen Abhängigkeiten bei gegebenen Systembelastungen. Dabei wird durch die Berechnung aller relevanten hydrologischen und hydraulischen Prozesse ein bestimmtes Systemverhalten ermittelt. Handelt es sich um ein regelbares System und ist das Modell in der Lage, die künstlichen Eingriffe in die Abflussvorgänge abzubilden, wird es zum Betriebsmodell. Werden die Eingriffe auf den Wasserhaushalt über Speicher vorgenommen, wird das Betriebsmodell zum Speicherbetriebsmodell. Eine Beschreibung physikalischer Vorgänge, wie etwa der Ausfluss aus Öffnungen - was der ungesteuerten Abgabe aus einem Grundablass entspricht - macht noch kein Speicherbetriebsmodell aus.
Betriebsplan, Betriebsregel:
Zur Regelung wasserwirtschaftlicher Systeme sind Vorschriften notwendig, die in Abhängigkeit bestimmter Systemzustände die Einflussnahme auf die Transport-und Speicherprozesse des Wassers definieren. Die Summe dieser Handlungsanweisungen wird als Betriebsplan bezeichnet. In Deutschland existieren einige Synonyme für den Begriff Betriebsplan. Zu nennen sind u.a. Betriebsregel, Wasserwirtschaftsplan, Bewirtschaftungsplan. Im weiteren Verlauf der Arbeit wird die Bezeichnung Betriebsplan benutzt. Dieser setzt sich i.d.R. aus mehreren Einzelvorschriften zusammen. Eine Einzelvorschrift wird hier als Betriebsregel bezeichnet.
Betriebspläne liegen bezüglich ihrer Komplexität und ihrer zeitlichen Gültigkeit in unterschiedlichen Ausprägungen vor. In den meisten Fällen existieren Regeln mit langfristiger oder mittelfristiger Geltungsdauer, d.h. sie wurden so definiert, dass die Bedürfnisse auf lange Sicht so gut wie möglich befriedigt werden, wobei kurzfristig Nachteile für einzelne Nutzungen auftreten können. Solche Betriebspläne werden normalerweise auf der Basis von langen Zeiträumen ermittelt, die möglichst viele verschiedene Systembelastungen beinhalten. Kurzfristige Betriebspläne– sogenannte Echtzeitsteuerung - sind dagegen auf Einzelereignisse abgestimmt. Ist das spezielle und meistens außergewöhnliche Ereignis vorüber, verliert der Kurzfristplan seine Gültigkeit.
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